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Warum ständige Erreichbarkeit uns erschöpft und wie echte Erholung gelingt

  • Autorenbild: Wegstein Writer
    Wegstein Writer
  • 10. Okt.
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 15. Okt.

Ständige Erreichbarkeit fühlt sich produktiv an, oft ist sie aber ein leiser Energieräuber. Mails am Abend, kurze Slack-Antworten am Wochenende, ein Blick aufs Smartphone vor dem Schlafengehen, all das verlängert den Arbeitstag im Kopf. Entscheidend ist weniger die Menge der Nachrichten, sondern die fortgesetzte Aktivierung, die fehlende psychologische Distanz. Genau hier setzt die Forschung an, sie erklärt, warum das Abschalten gelingt oder scheitert, und was im Alltag tatsächlich hilft.

Dieser Beitrag bündelt die wichtigsten Befunde aus Arbeits- und Gesundheitspsychologie und übersetzt sie in konkrete Schritte für den Alltag. Ziel ist eine klare Praxislinie für Menschen, die viel Verantwortung tragen und trotzdem verlässlich regenerieren wollen.


Smartphone mit abgelegten Kopfhörern auf einem Tisch, Symbol für digitale Ruhe und bewusste Abgrenzung von ständiger Erreichbarkeit
Digitale Ruhe beginnt, wenn Geräte wirklich pausieren. Ein Moment der Stille hilft, Abstand zu gewinnen und Energie zurückzugewinnen.


Ständige Erreichbarkeit: Was ist damit genau gemeint?


Erreichbarkeit hat zwei Ebenen. Erstens messbares Verhalten, E-Mails schreiben, Benachrichtigungen lesen, Chat öffnen. Zweitens die innere Bereitschaft, jederzeit reagieren zu wollen. Dieses innere Drängen wurde als Workplace Telepressure beschrieben, die Tendenz, auf digitale Nachrichten schnell zu antworten, selbst außerhalb der Arbeitszeit, was Erholung untergräbt, weil der Kopf bei der Arbeit bleibt, auch wenn der Körper zu Hause ist (Barber und Santuzzi, 2015, Journal of Occupational Health Psychology).

Psychologisch relevant ist die Distanzierung in der freien Zeit. Wer nach Feierabend gedanklich abschalten kann, erholt sich besser, schläft besser, und startet am nächsten Tag mit mehr Energie, (Wendsche und Lohmann-Haislah, 2017, Frontiers in Psychology).

Ein kurzer Orientierungsrahmen, das JD-R-Modell

Das Job-Demands-Resources-Modell unterscheidet zwischen Anforderungen und Ressourcen. Hohe Anforderungen ohne passende Ressourcen erhöhen das Risiko für Erschöpfung, ausreichende Ressourcen puffern, etwa Kontrolle, soziale Unterstützung, klare Regeln. Ein aktueller Open-Access-Review fasst das präzise zusammen (Tummers und Bakker, 2021, Frontiers in Psychology). Wie sich dieses Ungleichgewicht langfristig auf Energie und Wohlbefinden auswirkt und welche Strategien dagegen helfen, erfährst du im Beitrag "Burnout vorbeugen".

Für das Thema Erreichbarkeit heißt das, je diffuser die Erwartungen und je geringer die Kontrolle über Kommunikationszeiten, desto schwerer fällt Erholung. Umgekehrt helfen transparente Regeln, technologiebezogene Routinen und Führung, die Distanzierung zu unterstützen.


Was die Forschung zu ständiger Erreichbarkeit zeigt

  1. E-Mail nach Feierabend und Erschöpfung

Eine aktuelle Studie mit US-Beschäftigten zeigt, dass dienstliche E-Mails in der Freizeit mit emotionaler Erschöpfung zusammenhängen. Der Weg führt über weniger Distanzierung, wer nach Feierabend Mails bearbeitet, kann schlechter abschalten und fühlt sich ausgelaugter (Tedone et al., 2022, Occupational Health Science).

  1. Smartphone-Nutzung nach der Arbeit und mangelnde Distanz

Eine Tagebuchstudie belegt, je mehr dienstliche Smartphone-Nutzung nach Feierabend, desto weniger psychologische Distanz. Dieser Effekt zeigt sich unabhängig von Tagesform oder Persönlichkeit (Van Laethem et al., 2018, Stress and Health).

  1. Telepressure unterbricht Erholung

Telepressure, also der Drang, sofort zu antworten, steht in direktem Zusammenhang mit Stress und schlechterer Erholung. Die konzeptionelle Arbeit und Validierung stammt aus der Arbeits- und Gesundheitspsychologie (Barber und Santuzzi, 2015, Journal of Occupational Health Psychology). Ergänzend zeigt eine frei zugängliche Studie, dass Telepressure die Distanzierung indirekt über vermehrte Smartphone-Nutzung untergräbt (Cambier et al., 2019, Psychologica Belgica).

  1. Distanzierung wirkt, quer über Studien


Eine Meta-Analyse von 86 Publikationen bestätigt, Distanzierung in der Freizeit hängt robust mit weniger Beanspruchung und besserem Wohlbefinden zusammen (Wendsche und Lohmann-Haislah, 2017, Frontiers in Psychology).


  1. Pausen sind kein Luxus, sie stabilisieren Energie


Erholung geschieht nicht nur nach Feierabend, sondern auch im Tag. Eine Longitudinalstudie zeigt, dass erholsam gestaltete Mittagspausen über Monate mit weniger Erschöpfung und mehr Energie verbunden sind (Sianoja et al., 2016, Journal of Occupational Health Psychology). Eine weitere Feldstudie zeigt tagesaktuelle Effekte, wer in der Mittagspause im Park regeneriert, berichtet am Abend mehr Wohlbefinden (Sianoja et al., 2018, Landscape and Urban Planning).


Eine PLOS ONE Meta-Analyse belegt, Mikropausen bis etwa zehn Minuten reduzieren Müdigkeit und erhöhen Energie, Leistungsgewinne sind eher bei weniger kognitiv fordernden Aufgaben zu erwarten (Albulescu et al., 2022, PLOS ONE).



Warum ständige Erreichbarkeit so anstrengend ist


Biologisch hält sie das Stresssystem aktiv. Jeder Ping ist ein Reiz, der Aufmerksamkeit bindet, die kognitive Schaltzentrale bleibt im Arbeitsmodus. Psychologisch entstehen unerledigte Handlungsfäden im Kopf, die Rumination fördern. Sozial senden schnelle Antworten ein Signal der Dauerverfügbarkeit, das sich selbst verstärkt. Die Forschung zeigt, dass Distanzierung genau diese Schleifen unterbricht (Wendsche und Lohmann-Haislah, 2017, Frontiers in Psychology), und dass E-Mail-Druck die Distanzierung mindert (Tedone et al., 2022, Occupational Health Science).


Was im Alltag wirklich hilft, zehn Schritte mit wissenschaftlichem Rückhalt


  1. Klare Kommunikationszeiten vereinbaren


Teamregeln formulieren, wann Antworten erwartet werden und wann nicht, etwa Kernzeiten, Eskalationspfade für echte Notfälle, Reaktionsfenster für Mails. Unternehmens- und Länderbeispiele zeigen, dass Right-to-Disconnect-Regeln die Work-Life-Balance verbessern können (Eurofound, 2021, Report).


  1. Signale in den Tools setzen


Abwesenheitszeiten im Kalender sichtbar machen, E-Mail-Footer mit Hinweis auf Antwortzeiten, geplante Sendungen nutzen. Weniger implizite Verfügbarkeit senkt Telepressure (Barber und Santuzzi, 2015, Journal of Occupational Health Psychology).


  1. Benachrichtigungen bündeln


Push-Meldungen außerhalb der Kernzeit aus, Zusammenfassungen zu festen Slots. So sinkt die Zahl der Unterbrechungen und die Distanzierung wird einfacher (Van Laethem et al., 2018, Stress and Health).


  1. Abends eine saubere Abschluss-Routine


Kurzes Shutdown-Ritual am Tagesende, offene To-dos notieren, nächsten Startblock definieren und das Handy in den Nicht-Stören-Modus. Das erleichtert das mentale Loslassen (Wendsche und Lohmann-Haislah, 2017, Frontiers in Psychology).


  1. Mikropausen bewusst als Erholung nutzen


Nicht Mails checken, sondern atmen, stehen, kurz bewegen, Blickwechsel. Mikropausen senken Müdigkeit und erhöhen Vigor (Albulescu et al., 2022, PLOS ONE).


  1. Mittagspause verlässlich einplanen, nach Möglichkeit im Grünen


Regelmäßige, aktive Mittagspausen sind mit Energie am Nachmittag und weniger Erschöpfung verbunden, (Sianoja et al., 2016, Journal of Occupational Health Psychology), ein Park-Gang verstärkt die Wirkung (Sianoja et al., 2018, Landscape and Urban Planning).


  1. Vier Erholungsmechanismen pflegen: Distanz, Entspannung, Kompetenz, Kontrolle


Diese vier Prozesse gelten als wissenschaftlich validierte Erholungskomponenten (Sonnentag & Fritz, 2007, Journal of Occupational Health Psychology). Sie beschreiben, was Menschen hilft, sich nach der Arbeit wirklich zu erholen:


  • Abstand – gedankliche Distanz zu Arbeit und Verpflichtungen, also bewusst abschalten.

  • Entspannung – körperlich und mental zur Ruhe kommen, etwa durch ruhige Aktivitäten oder Atemübungen.

  • Kompetenz erleben (Mastery) – etwas Neues lernen oder sich in einer angenehmen Herausforderung erleben, das stärkt das Gefühl von Selbstwirksamkeit.

  • Kontrolle – selbst bestimmen können, was man in der Freizeit tut, ohne äußeren Druck oder Verpflichtung.


Diese Mechanismen sind empirisch belegt und lassen sich gezielt in den Alltag integrieren, um Erholung spürbar zu verbessern.


  1. Digitale Grenzen

Apps mit hoher Reizdichte vom Startbildschirm nehmen, E-Mail-App vom privaten Homescreen, klare Profile für Arbeits- und Privatgerät. Weniger Gelegenheit, weniger Telepressure (Cambier et al., 2019, Psychologica Belgica).


  1. Führung beeinflusst, wie gut Teams abschalten können


Studien zeigen, dass Führungskräfte, die selbst Grenzen ziehen und sich bewusst erholen, damit ein wichtiges Signal setzen. Mitarbeitende übernehmen dieses Verhalten oft unbewusst, was langfristig Erschöpfung reduziert (Tummers & Bakker, 2021, Frontiers in Psychology). Auch Kommunikation spielt dabei eine große Rolle. Wer in Meetings regelmäßig Druck oder Bewertungsangst erlebt, findet im Artikel "Angst, im Meeting zu sprechen" praktische Wege, um innere Ruhe und Selbstsicherheit aufzubauen.


Erholung beginnt also nicht nur individuell, sondern wird auch durch Vorbilder in der Führungskultur geprägt.


  1. Erholung braucht gemeinsame Regeln, die im Alltag funktionieren


Teams können viel gewinnen, wenn sie Erholung als gemeinsames Experiment betrachten. Zum Beispiel, vier Wochen lang klare Kommunikationszeiten testen, beobachten, was sich verändert, und dann die Regeln gemeinsam anpassen. Studien zeigen, dass solche Vereinbarungen nur dann wirken, wenn sie im Alltag wirklich gelebt werden, nicht wenn sie bloß in Richtlinien stehen.



Wie Coaching helfen kann

Coaching bietet einen klar strukturierten Raum für Reflexion. Es hilft, Erwartungen zu klären, Entscheidungen bewusster zu treffen und konkrete Routinen für Erreichbarkeit und Erholung im Alltag umzusetzen. Forschungen zeigen, dass Executive Coaching Burnout-Symptome verringern und das Energiegefühl im Beruf stärken kann (Brooks et al., 2023, Frontiers in Psychology). Eine weitere Studie fand, dass Peer-Coaching Burnout reduziert und das Gefühl beruflicher Erfüllung steigert (Kiser et al., 2024, JAMA Network Open).


In der Praxis bedeutet das: Coaching richtet den Blick nicht auf Diagnosen, sondern auf Orientierung, Kommunikation, Strukturen und Verhalten, genau dort wo ständige Erreichbarkeit entsteht und verändert werden kann. Wenn du solche Themen gezielt angehen möchtest, erfährst du auf der Seite Beruf & Alltag mehr zu unserem Coaching.


Fazit

Ständige Erreichbarkeit ist kein Zeichen von Leistungsfähigkeit, sondern ein Risiko für stille, schleichende Ermüdung. Erholung entsteht, wenn Distanz, Pausen und klare Regeln zusammenspielen. Die gute Nachricht: Schon kleine, regelmäßig wiederholte Schritte wirken. Beginnen Sie mit klaren Kommunikationsregeln, kurzen Mikropausen und einem bewussten Tagesabschluss. Der Rest fügt sich, wenn Routinen verlässlich werden.

Wenn Sie Unterstützung wünschen, bietet Coaching einen ruhigen, strukturierten Rahmen, um diese Regeln zu formulieren, zu testen und Fortschritte gemeinsam zu reflektieren.




Häufige Fragen zur ständigen Erreichbarkeit und Erholung (FAQ)


Warum fällt es so schwer, nach der Arbeit wirklich abzuschalten?

Weil das Gehirn auf Signale reagiert, die Arbeit ankündigen, auch wenn keine reale Aufgabe vorliegt. Jede Nachricht aktiviert das Stresssystem und verhindert psychologische Distanz. Studien zeigen, dass die ständige Erreichbarkeit die Erholung beeinträchtigt (Van Laethem et al., 2018, Stress and Health).

Ist ständige Erreichbarkeit immer schädlich?

Kurzzeitig kann sie sinnvoll sein, etwa bei Notfällen oder Projekten mit hoher Abstimmung. Problematisch wird sie, wenn sie dauerhaft die Distanzierung verhindert und Schlaf, Konzentration oder Stimmung beeinträchtigt (Tedone et al., 2022, Occupational Health Science).

Wie kann ich Erreichbarkeitsgrenzen einführen, ohne unzuverlässig zu wirken?

Durch transparente Kommunikation. Klare Regeln zu Antwortzeiten, Eskalationswegen und Kernzeiten schaffen Vertrauen und reduzieren Telepressure. Führung, die diese Grenzen vorlebt, senkt Erschöpfung im Team (Tummers und Bakker, 2021, Frontiers in Psychology).

Was bringt eine Mittagspause im Freien wirklich?

Eine Menge. Studien zeigen, dass Park-Pausen das Wohlbefinden messbar verbessern und langfristig mit mehr Energie und weniger Erschöpfung einhergehen (Sianoja et al., 2018, Landscape and Urban Planning).

Wie kurz darf eine Pause sein, um zu wirken?

Schon zwei bis zehn Minuten können Müdigkeit senken und Vigor steigern. Diese Mikropausen wirken vor allem bei weniger kognitiv fordernden Tätigkeiten (Albulescu et al., 2022, PLOS ONE).

Wie hilft Coaching konkret bei Überlastung durch Erreichbarkeit?

Coaching bietet einen strukturierten Reflexionsraum, um Gewohnheiten, Kommunikation und Prioritäten zu klären. Evidenz zeigt, dass Executive Coaching Burnout-Symptome senken und Vitalität erhöhen kann (Brooks et al., 2023, Frontiers in Psychology). Vereinbare gerne ein kostenloses Kennenlernen mit uns und wir schauen, wie wir dir helfen können.

Gibt es gesetzliche Regelungen zur Erreichbarkeit?

In mehreren EU-Ländern existiert ein „Right-to-Disconnect“. Unternehmen, die klare Disconnect-Praktiken einführen, berichten von kürzerer Online-Zeit und besserer Work-Life-Balance (Eurofound, 2021, Report).

Wie kann ich prüfen, ob ich wirklich regeneriere?

Achten Sie auf Schlafqualität, Stimmung und Konzentration. Wer regelmäßig Mikropausen nutzt, abends abschaltet und tagsüber klare Grenzen hält, berichtet in Studien konsistent von höherem Wohlbefinden (Wendsche und Lohmann-Haislah, 2017, Frontiers in Psychology).


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